Ein Bericht basierend auf Informationen von Rene Ripasi, Mitglied im Europaparlament
Seit der Sommerpause hat sich die politische Stimmung massiv verändert. Während beispielsweise der Sozialdemokrat Nicolas Schmitt aus Luxemburg nicht aufgestellt wurde, hat Italien den rechtsradikalen Raffaele Fitto von der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia als Vizepräsidenten der Kommission vorgeschlagen: Die Christdemokraten bildeten dabei gemeinsam mit rechten Parteien Mehrheiten, um die Anhörungen entsprechend zu lenken. Ähnlich alarmierend ist die jüngste Abstimmung über eine Resolution zu Venezuela, die sich ausschließlich auf eine rechte Mehrheit stützt, sowie ein Antrag der AfD, dem CDU/CSU-Abgeordnete zugestimmt haben. Diese Entwicklung hinterlässt viele von uns frustriert und alarmiert.
ANHÖRUNGEN UND MACHTSPIELE
Die Anhörungen der Kommissar:innen fanden unter ähnlichen Bedingungen statt. Darüber hinaus, war die Zeit für Fragen stark begrenzt, sodass wir Sozialdemokraten nur eine Minute für Fragen und zwei Minuten für Antworten hatten – ein echtes „Prüfen auf Herz und Nieren“ sieht anders aus. Am Dienstag stand die wichtigste Anhörung an: die der Vizepräsidenten, darunter Fitto. Wir deutschen Sozialdemokraten haben klar gemacht, dass wir keine Rechtspopulisten in dieser Position akzeptieren können. Doch die EVP hält an Fitto fest und droht gleichzeitig Theresa Ribera zu blockieren, eine angesehene Kandidatin. Das ist ein scharfes und hartes Spiel, denn sollten wir nicht einen Rechtspopulisten ins Amt wählen wollen, könnte die EVP Ribera daran hindern, dass sie Kommissarin wird. Das würde den Prozess verlangsamen und es der Kommission nicht ermöglichen, am ersten Dezember zu beginnen.
ENTWALDUNGSVERORDNUNG
Auch die Entwaldungsverordnung wurde zum Spielball rechter Interessen. Ziel dieser Verordnung ist, dass Waren, deren Produktion mit der Abholzung von Wäldern in Verbindung stehen, in der EU nicht mehr verkauft werden dürfen und damit die Biodiversität schützen. Doch nun haben rechte Parteien, unterstützt von der EVP, die Verordnung in Geiselhaft genommen. Ein beschleunigtes Verfahren zur Verschiebung des Inkrafttretens um ein Jahr stieß zunächst auf breite Zustimmung, da die Unternehmen mehr Klarheit benötigen. Die Rechten nutzten jedoch die Gelegenheit, inhaltliche Änderungen einzuführen, die das Prinzip der Nachhaltigkeit untergraben.
Besonders besorgniserregend: In Deutschland bleibt es weitgehend unbeachtet, dass CDU/CSU hier offen mit der AfD kooperieren, um solche Änderungen durchzusetzen.
UNSERE VERANTWORTUNG
Die kommenden Wochen werden entscheidend sein. Es geht um nichts Geringeres als um den Erhalt der in den letzten Jahren erzielten Fortschritte, wie z.B. den Green Deal. Sollten wir scheitern, droht der Abbau zentraler Schutzmechanismen durch einen von Rechtsextremen dominierten Block.
WARUM WIR „NEIN“ SAGEN
Die Kandidatenliste und insbesondere die Nominierung von Raffaele Fitto, einem Vertreter der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia, als Vizepräsident der Kommission, waren ausschlaggebend. Italienische Abgeordnete und die Regierung haben selbstverständlich das Recht, Kandidaten vorzuschlagen. Doch die Verantwortung für die Zusammensetzung der Kommission liegt bei Ursula von der Leyen. Mit der Ernennung von Fitto hat sie ein deutliches Signal gesendet – ein Signal der Annäherung an die politische Rechte. Für uns als SPD ist diese Entwicklung inakzeptabel. Unsere europäischen Institutionen dürfen sich nicht für rechtsextremes Personal öffnen. Es war daher notwendig, ein klares Stoppzeichen zu setzen. Mit unserer ablehnenden Haltung gegenüber dieser Kommission haben wir ein starkes Signal gesendet: Wir stellen uns gegen jede Entwicklung, die Europa spaltet und nach rechts lenkt.
DIE KOMMISSION
Es war keine leichte Entscheidung. Uns liegt eine handlungsfähige Kommission am Herzen – und genau deshalb war es wichtig, diese nicht mitzutragen. Wir wollen ein starkes Europa, das auf Zusammenarbeit, Fortschritt und Solidarität setzt, nicht auf rückwärtsgewandte Politik. Besonders besorgniserregend: Diese Kommission hat weniger Unterstützung erhalten als Präsidentin von der Leyen selbst bei ihrer Wahl vor der Sommerpause. Der Versuch, Stimmen aus dem rechten Lager zu gewinnen, hat dazu geführt, dass die Unterstützung aus dem progressiven Lager geschwächt wurde.
EIN GEEINTES EUROPA Unsere Botschaft an Ursula von der Leyen und Manfred Weber ist klar: Kehren Sie zurück zu einem Kurs, der Europa stärkt, statt es nach rechts zu verschieben. Wir sind bereit, eine pro-europäische, progressive Agenda mit aller Kraft zu unterstützen – doch dafür braucht es den politischen Willen, Europa zu einen und nicht zu spalten.
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